Unsere neue Lernhelferin auf vier Pfoten
Amely Bürke und Diedrich Hinrichs
Pädagogische Unterstützung erhalten unsere Schüler:innen in ihren Klassenräumen gemeinhin von ihren Lehrkräften, neuerdings aber auch von der unzweifelhaft mit Abstand jüngsten Lernhelferin am Aue-Geest-Gymnasium. Das Besondere daran: Sie kommt sanftmütig auf vier Pfoten daher, denn seit letzter Woche (14.06.2022) begleitet die sechs Jahre alte Labrador Hündin Kenia dreimal wöchentlich ihre Besitzerin StR´ Sarah Tismer in deren fortan auch tiergestützten Unterricht. Anlass genug, Kenia selbst und ihr Tätigkeitsprofil bzw. ihre Aufgaben als Schulhund an unserem Gymnasium vorzustellen, was sich Amely Bürke (Klasse 9 FSL1) zu ihrer Angelegenheit gemacht hat:
“Tiere spielen in vielerlei Hinsicht eine große Rolle für uns Menschen. Sie gelten als Nutz-und Schutztiere, als Spurenleser, als Haustiere und vor allem als Familienmitglieder. Sie lösen in viele Fällen positive Gefühle bei uns Menschen aus. Es wurde ebenfalls festgestellt, dass sie eine heilsame Wirkung auf uns haben können. Deshalb werden immer mehr Tiere in pädagogischen, psychologischen und medizinischen Bereichen und jetzt auch an unserer Schule eingesetzt.
Schulhunde, die zusammen mit ihren Besitzer:innen immer als „Schulhund-Team“ auftreten, sind bekannt dafür, dass sie die Sozialität in der Klasse und die Motivation, in die Schule zu gehen, erhöhen, da die Unterrichtstunden durch ihre Anwesenheit und praktische Unterstützung abwechslungsreicher werden. Außerdem können sie vielen Schüler:innen, die unter enormem Druck und großer Unsicherheit leiden, helfen sich zu entspannen und ruhiger zu werden.
Um Genaueres über Kenia zu erfahren, habe ich mich mit ihr — und Frau Tismer als Simultanübersetzerin — unterhalten:
Frau Tismer bildet Suchhund-Teams aus — auch ihre beiden Hunde sind einsatzgeprüfte Suchhunde. In der Freizeit beschäftigt sie sich ebenfalls viel mit diesem Thema. Bei Kenia wurde vor ihrem Dienstantritt in der Schule ein Wesenstest durchgeführt, bei dem ihre Verhaltenseigenschaften überprüft und ein von ihr ausgehendes Gefahrenpotential eingeschätzt wurden. Zudem erfährt sie zusammen mit ihrer Besitzerin als Team eine umfängliche Schulhundausbildung. Frau Tismer zum Charakter ihrer Hündin: „Kenia ist sehr tolerant und hat ein cooles Wesen, sie würde niemals beißen und mich haben ganz viele Leute angesprochen und darin bestärkt, dass ich Kenia ohne Bedenken mit in die Schule nehmen kann.“
Kenia kommt dreimal wöchentlich gemeinsam mit Frau Tismer in die Schule: „Sie wird nur von mir begleitet, weil wir ein Team sind. Sie vertraut mir und ich weiß genau, was ich machen muss, damit sie dies und jenes macht“, so ihre Besitzerin.
Beide unterrichten gemeinsam als AGG-Schulhund-Team maximal vier Stunden am Tag, wobei Kenia in der Klasse frei herumspaziert. Frau Tismer achtet sehr darauf, dass der Unterricht an erster Stelle steht und die Schüler:innen nicht beim Lernen abgelenkt werden. Zwar kommen Streicheleinheiten nicht zu kurz, diese finden jedoch nur nebenbei statt und es kann parallel dazu weitergearbeitet werden. Dennoch kommt man um kleinere Pausen zwischendurch, in der Pfötchen gegeben und andere kleine Tricks gezeigt werden, nicht herum — danach geht’s aber weiter mit dem Unterricht.
Erstaunlicherweise haben Frau Tismer und auch die bisher von Kenias Anwesenheit in den Unterrichtsstunden überaus erfreuten Schüler:innen schon nach wenigen Tagen erste Veränderungen feststellen können: Die Kinder kommunizieren besser durch Körpersprache zum Hund und ihre Aufregung vor einer Arbeit in der nächsten Stunde wurde nach einer Streicheleinheit erkennbar reduziert.
Bevor Kenia in ausgewählte Klassen kommt, erhalten deren Eltern und Erziehungsberechtigten einen Infobrief. Vor dem ersten Besuch des Schulhund-Teams werden Regeln aufgestellt, um Ängste zu vermeiden und Unklarheiten zu beseitigen. So kann ein bestmöglicher Umgang zwischen Hund und Mensch gewährleistet werden. Sollte trotzdem jemand Angst verspüren, wird aufgepasst, dass der Kontakt zwischen Kenia und der jeweiligen Schülerin bzw. dem jeweiligen Schüler entsprechend angepasst wird: „Das Wichtigste ist, dass alle sich sicher fühlen“, betont Frau Tismer.
Eine Klasse, in der jemand eine starke Hundeallergie hat, darf Kenia daher selbstverständlich nicht besuchen. Dies wird im Vorfeld über die bei der Aufnahme am AGG auszufüllenden „Fünftklässler-Bögen“ abgeklärt und auch in den laufenden Jahrgängen vorher erfragt. Aber auch das allgemeine Einhalten von Hygieneregeln, wie Händewaschen nach dem Besuch unseres neuen „sechsbeinigen Lehrerinnen-Teams“, gehören im Schulalltag beim Umgang mit einem Schulhund unabdingbar dazu.
Nach Kenias Arbeitstag in ihrem neuen Job ist sie oft sehr müde und schläft, jedoch reguliert sich dies zunehmend, sie wird ruhiger und ist dabei, sich an ihren neuen, sicherlich auch für sie spannenden und aufregenden Alltag zu gewöhnen. Und wenn Kenia hinlänglich ausgeruht ist, dann wird es so richtig schmutzig: Die Lieblingsbeschäftigung von Hund und Frauchen sind nämlich Matsch- und Modder-Rennen nach wohlverdientem Feierabend!
Hintergrund: Auszug aus der Begründung für die Einführung eines Schulhundes am Aue-Geest-Gymnasium Harsefeld, verfasst von unserer Mittelstufenkoordinatorin, Studiendirektorin Kati Bente.
Unumstritten ist mittlerweile die positive Auswirkung eines Schulhundes auf das Schul- und Klassenklima. Da die Anwesenheit eines Schulhundes nicht nur gute Voraussetzungen für ein effektives Lernen schafft, sondern auch positiven Einfluss auf Menschen im emotional-sozialen Bereich ausübt, soll der Schulhund sowohl im Unterricht als auch bei Interventionen / Mediationen zum Einsatz kommen, denn insbesondere der soziale Austausch kann durch die Anwesenheit eines Hundes begünstigt oder ggf. sogar erst ermöglicht werden.
Aber auch im Hinblick auf die Förderung des emotionalen Wohlbefindens, Stressreduktion, die stärkende Wirkung auf die Persönlichkeit oder die unterstützende Funktion auf das soziale Miteinander lassen sich positive Entwicklungen durch den Einsatz eines Schulhundes erwarten, dieses Potential möchten wir nun gern auch für unsere Schüler:innen nutzbar machen.”
Fotos: Diedrich Hinrichs