Projekttag an einem besonderen Lernort deutscher Geschichte
Maximilian Schäfer
Anfang November (06.11.2013) folgte unter der Leitung von OStR‘ Gudrun Dade der Geschichtskurs Jg.12e.N. einer Einladung des Niedersächsischen Kultusministeriums an sechs weitere Schulen, die sich gleichfalls wie das AGG Harsefeld als „Schule ohne Rassismus — Schule mit Courage“ in Eigenregie aktiv mit dem Phänomen Rassismus auseinandersetzen, zu einem Projekttag an einen ganz besonderen Lernort deutscher Geschichte: die Gedenkstätte Bergen-Belsen. Neben der Vertiefung ihres zuvor im Unterricht erarbeiteten Wissens über das ehemalige Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager stand — angesichts des 75. Jahrestages dieses Ereignisses — die kritische historische Aufarbeitung und das Gedenken der Reichspogromnacht im thematischen Mittelpunkt dieser Projekt-Veranstaltung. Dazu ein Beitrag von Maximilian Schäfer (12.Jg.):
“Auf Einladung des Niedersächsischen Kultusministeriums begab sich zu Beginn des Monats November der Geschichtskurs auf erhöhtem Anforderungsniveau des AGG Harsefeld unter Leitung von Frau OStR‘ Gudrun Dade auf das Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen im Kreis Celle, um das zuvor im Unterricht erarbeitete Wissen über das ehemalige Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager, später auch Displaced Persons Camp zu festigen und zu erweitern.
Der Schwerpunkt unserer studienorientierten Exkursion lag beim Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen auf der thematische Auseinandersetzung mit der Reichspogromnacht (09./10. November 1938), in deren Verlauf im gesamten Deutschen Reich von den Nationalsozialisten organisierte Gewaltmaßnahmen gegen Juden stattgefunden haben.
Den Einstieg in das historische Thema für die insgesamt sieben Schulklassen aus Niedersachsen, die aufgrund ihres jeweils kürzlich erworbenen Titels „Schule ohne Rassismus — Schule mit Courage“ vom Kultusministerium nach Bergen-Belsen eingeladen wurden, formulierte der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Herr Dr. Rahe.
Im Anschluss daran fand unter der Leitung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte für die jeweiligen Lerngruppen — so auch für unsere Harsefelder Gruppe — die Einarbeitung in die Thematik „Reichspogromnacht“ statt. Deutlich wurde hierbei, dass das Archiv der Gedenkstätte einen immensen Bestand an digitalen Zeitzeugenberichten bereithält, der die Situation der jüdischen Bevölkerung zum Zeitpunkt des Novemberpogroms 1938 besonders authentisch darstellt. Auf diese Art und Weise gelang es den Schülerinnen und Schülern unseres Geschichtskurses, sich mit diesem Thema tiefgreifend auseinanderzusetzen und ihr Verständnis und Wissen über die Geschehnisse in der NS-Zeit in Bezug auf den damals virulenten Antisemitismus zu festigen.
Die im Rahmen der Exkursion besuchte Ausstellung im neu errichteten Dokumentationszentrum der Gedenkstätte unterstützte darüber hinaus die weitere Wissensbildung über die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers in Niedersachsen.
Uns wurde außerdem die Möglichkeit gegeben, die Außenanlagen und somit das Lagergelände in Bergen-Belsen zu besichtigen. Der Schwerpunkt wurde hierbei auf das Ausgrabungsgelände gelegt. Im Zuge der anschließenden Evaluation unseres Besuchs im Unterricht wurde deutlich, dass es durchaus wünschenswert gewesen wäre, man hätte Relikte aus der damaligen Zeit besichtigen können — wie z. B. Baracken und andere Gebäude aus der NS-Zeit -, um noch authentischere Eindrücke zu gewinnen, als es Bücher und Bildmaterial möglich machen. Der Grund aber, weshalb auf dem Lagergelände keine Überbleibsel zu besichtigen sind und sein werden, ist die Tatsache, dass nach der Befreiung im Jahre 1945 durch die britische Armee alle Gebäude abgebrannt werden mussten, um einer Typhusepidemie ein Ende zu bereiten.
Die Exkursion nach Bergen-Belsen bot außer dem Besuch der Gedenkstätte und der damit verbundenen Besichtigung des ehemaligen Lagers die einmalige Möglichkeit, auf einen Teil des NATO-Truppenübungsplatz-Geländes zu gelangen, das nach 1945 als sogenanntes DP-Camp für heimat- und familienlose Inhaftierte des KZ Bergen-Belsen diente.
In dem sich dort befindenden „Roundhouse“, das früher als Offiziers-Kasino der Wehrmacht genutzt wurde, fand für die Schülerinnen und Schüler eine Lesung aus der Biografie über das Leben der Jüdin Dora Lux (Titel des Buches: „Meine Lehrerin, Dr. Dora Lux“) von Hilde Schramm statt, der Tochter Albert Speers (Verfasser der „Spandauer Tagebücher“).
Zusammen mit dem Enkel der jüdischen Lehrerin, Herrn Ulrich Tietze (Gefängnispastor), stellte die Schriftstellerin Corinna Luedtke die Biografie vor. Einige zentrale Passagen aus dem Buch wurden mit den Erinnerungen Tietzes an seine Großmutter verknüpft. Untermalung fand die geschichtliche Lesung durch drei israelische Musiker, die in Hannover Musik studieren, obwohl Mitglieder ihrer Familie im KZ Bergen-Belsen interniert waren.
Der Geschichtskurs der Jahrgangsstufe 12 (e.N.) des AGG Harsefeld sowie seine Kursleiterin Frau Dade danken den Verantwortlichen der Gedenkstätte Bergen-Belsen sowie den Verantwortlichen des Camp Hohne (NATO-Truppenübungsplatz) für die Möglichkeit eines beeindruckenden, aber auch bedrückenden und nachdenklich stimmenden Besuchs und sprechen dem Niedersächsischen Kultusministerium ihren ausdrücklichen Dank aus, die Exkursion durch die Übernahme aller anfallenden Kosten ermöglicht zu haben.”
Zur weiteren Information:
„Bergen-Belsen ist seit 1945 ein internationaler Erinnerungsort. Mahnmale aus der Nachkriegszeit erinnern an die mehr als 70 000 Menschen, die hier zwischen 1941 und 1945 umkamen. Ausstellungen von 1966 und 1990 informierten über die Geschichte des Lagers Bergen-Belsen. Doch erst in den beiden vergangenen Jahrzehnten konnte die vielschichtige Geschichte dieses Ortes als Kriegsgefangenenlager, Konzentrationslager und Displaced Persons Camp detailliert untersucht werden. Die Ergebnisse werden seit 2007 in der Dauerausstellung des neu errichteten Dokumentationszentrums präsentiert.“ (http://bergen-belsen.stiftung-ng.de/)
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Fotos: Maximilian Schäfer (12. Jg)