Im „himmelblauen Moment“ ein letztes Mal zurückgeschaut
Von Diedrich Hinrichs
Bevor von nun an für unsere diesjährigen Abiturientinnen und Abiturienten der „Rest des Lebens“ beginnt und sie von der Welt, die ihnen versprochenermaßen gehört, dann auch tatsächlich Besitz ergreifen, kamen in der vergangenen Woche auf der Entlassungsfeier für den Abiturjahrgang 2013 am AGG Harsefeld die Vertreterin der Eltern sowie alle weiteren Festredner am Freitagnachmittag (21.06.2013) dem wohlmeinenden Rat einer dreiköpfigen Berliner Ärztegruppe verlässlich nach: In ihren Ansprachen, die sie jeweils an die von Augenblicksfreude erfüllten und zugleich Erleichterung verspürenden Hauptakteure der Feierlichkeit richteten, sahen sie sich — deren unlängst vergangene achtjährige Schulzeit an unserem Gymnasium gezielt in den Blick nehmend — ein letztes Mal um.
“Musikalische Eröffnung und Begrüßung”
Im Anschluss an die musikalische Eröffnung durch Raika Schuldt und Magdalena Dammert, die als Akustik-Duo (Gesang/Gitarre) den Song „Dies muss es werden“ (Bandprojekt „Sing Um dein Leben“) vortrugen, begrüßte Schulleiter OStD Johann Book herzlich die ins Forum des Aue-Geest-Gymnasiums Harsefeld geladenen Ehrengäste und eine große Anzahl erschienener Mitglieder der Schulgemeinschaft, insbesondere aber alle 68 Abiturientinnen und Abiturienten, die er — nachdem sie sich seiner Ansicht nach in den letzten acht Jahren immer oder zumindest fast immer „strebend bemüht“ hätten — am heutigen Tage mit der Überreichung ihrer Reifezeugnisse gewillt sei (von der Schule) zu erlösen.
„Mit gutem Rüstzeug ausgestattet, um sich auf Neues einlassen zu können“
Im anschließenden Grußwort bezog der Erste Kreisrat Herr Dr. Eckart Lantz als Vertreter des Schulträgers in seine darin zum Ausdruck gebrachten Glückwünsche an unseren diesjährigen Abiturjahrgang zu den erreichten Leistungen deren Eltern wie auch die Lehrkräfte des AGG Harsefeld ausdrücklich mit ein.
Mit Blick auf unsere Schulabgänger prophezeite er, dass viele fachliche Inhalte, mit denen sie sich in den letzten Jahren beschäftigt hätten, zwar nicht wieder auftauchen werden, für die wichtige Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt habe ihnen aber die Schule durch die Vermittlung von Methoden und Arbeitsweisen sowie in der Auseinandersetzung mit Strukturen ein gutes Rüstzeug geliefert. Dies alles mögen sie mit dem Abitur „in der Tasche“ nutzen, so Dr. Lantz´ Appell, um optimistisch, offen und aufmerksam für die sich bietenden neuen Chancen durch die Welt zu gehen, ohne dabei zugleich als künftige gesellschaftliche Leistungsträger Werte und Werthaltungen wie Toleranz und Menschlichkeit anderen gegenüber zu vergessen. Gleichzeitig sei es darüber hinaus wünschenswert, dass die Schulabgänger — trotz des möglicherweise auch als Befreiung empfundenen Aufbruchs — die Kontakte zu Ehemaligen, zum AGG Harsefeld und zur Region nicht gänzlich abbrechen.
„Vielleicht wäre es schlau, dich ein letztes Mal umzusehen“
Nach eher klassischen musikalischen Zwischentönen auf der Violine von Selina Rehder (Vittorio Montis „Czardas“), die am Klavier vom musikalischen Leiter der Festveranstaltung StR Andreas Höver begleitet wurde, gab sich OStD Johann Book in seiner dann folgenden Ansprache zwar nicht als ausgewiesener „Punk Rock-Fan“ zu erkennen, indes nahm er die erste Strophe des Songs „Himmelblau“ von den Ärzten als triftigen Anlass, um vor dem Horizont eines unseren Abiturientinnen und Abiturienten verständlicherweise in diesem Moment so verheißungsvoll erscheinenden „blauen Himmels“ auf ihre achtjährige gymnasiale Schulzeit „schlauerweise“ ein letztes Mal zurückzuschauen.
Diejenigen, die mit einer Erfolgsquote von 100 Prozent die Abschlussprüfungen in diesem Jahr bestanden haben und auf das Erreichte berechtigterweise stolz und darüber glücklich sein dürften, führte er — dabei auch erinnerungswürdige Streiflichter auf die schulhistorische Vergangenheit werfend — noch einmal von ihren „gymnasialen Anfängen“ zurück in die Gegenwart: Über die Einschulung ihres Jahrgangs im August 2005, den Unterricht in den legendären „vollklimatisierten Pavillons“ an der Jahnstraße, den späteren Umzug mit „Pauken und Trompeten“ in den Neubau am Brakenweg, die Namensänderung ihres schulischen Wirkungsortes, das letzte und eigentlich viel zu kurze Schuljahr (in dem eine Mottowoche, der Abschlussball und die Erstellung eines Abibuchs organisiert sowie Prüfungen vorbereitet und absolviert werden mussten), den Tag der Notenbekanntgabe ihrer schriftlichen Prüfungen und die Abifahrt spannte sich noch einmal ein lebendiger Erzählbogen bis zum heutigen Tage, der Feier anlässlich der Übergabe ihrer Reifezeugnisse — und alles hat(te) seine Zeit!
Dabei seien gerade all die in den letzten Monaten das knappe Gut „Zeit“ aufzehrenden emsigen Aktivitäten der Abiturientinnen und Abiturienten — geprägt von Freude und dem gemeinsam erlebten Spaß — für ihn Ausdruck eines deutlich erkennbaren Bestrebens, sich in der Schule auf die ein oder andere Weise zu verewigen und individuelle Spuren zu hinterlassen — mithin auch die eigene Bedeutung in den Mittelpunkt zu stellen. Keineswegs ginge es ihm vor diesem Hintergrund um die Herabwürdigung ihrer Leistungen, wenn auch er im Folgenden auf die mahnenden Worte David McCulloughs anlässlich der festlichen Abschiedsfeier an der High School in Wellesley (Boston) verweisen wolle: „Jetzt habt ihr die Highschool abgeschlossen, und alle haben sich nur wegen euch versammelt, Stolz und Freude unserer edlen Gemeinschaft, die ihr nun verlasst. Aber bitte kommt nicht auf die Idee, dass ihr etwas Besonderes seid. Das seid ihr nicht!“
Vielmehr, so OStD Book in seiner Ansprache weiter, möge eine jede und ein jeder in „himmelblauen Momenten“, also in Augenblicken des persönlichen Erfolgs und Glücksgefühls, sich darüber bewusst werden, dass die eigene Leistung auch abhängig von anderen Faktoren oder günstigen Umständen erreicht worden sei. Dafür seien durchaus Dankbarkeit und Demut angebracht. Es komme nicht darauf an, wie es McCullough formuliert, einen Berg zu besteigen, „um dort die Fahne zu hissen, sondern wegen der Herausforderung des Aufstiegs“ und damit man die Welt sehen könne, nicht damit die Welt einen sieht.
Und so hielt Herr Book unseren Abiturjahrgang dazu an, den sowohl Chancen als auch Risiken beinhaltenden Neubeginn als Verpflichtung zu betrachten und die eigene Leistung richtig und für lohnende Ziele einzusetzen: „Macht aus eurem Leben zu eurem und zu unserem Wohl etwas Außergewöhnliches! Dies wünschen alle, die sich heute hier versammelt haben.“ Oder um es mit den Worten des bereits erwähnten medizinischen Fachpersonals auszudrücken: „Die Welt gehört dir, und der Rest deines Lebens beginnt! Ein gutes Gefühl, und du weißt, es wird gut für dich ausgehen. Der Himmel ist blau! Yeah!“
„Feierliche Überreichung der Abiturzeugnisse“
Zusammen mit StD Dirk Graevenitz sowie den Tutoren der Jahrgangsstufe 12 (StR´ Katrin Göllnitz-Grabbert, StR´ Ursula Heiss, StR´ Silke Hühnlein, StR´ Johanna Twyman und OStR Werner König) überreichte Herr Book anschließend den nunmehr ehemaligen Schülerinnen und Schülern der fünf auf die Bühne gerufenen Tutoratsgruppen die lang ersehnten Reifezeugnisse. Seinen herzlichen Glückwünschen, denjenigen des Oberstufenkoordinators und ihrer Tutoren schlossen sich stellvertretend für die gesamte Schülerschaft auch einige Fünftklässler/innen (Klasse 5 F2) an, die jeder der 34 Abiturientinnen und jedem der ebenso vielen Abiturienten stilsicher und formvollendet eine Rose überreichten. Zuvor hatte OStD Book noch den Tutoren und Fachlehrerinnen und Fachlehrern, die den Abitur-Jahrgang 2013 unterrichtet hatten, ausdrücklich dafür gedankt, dass es augenscheinlich gelungen sei, für die ihnen Anvertrauten nicht nur Moderator/in und Impulsgeber/in, sondern auch wichtige persönliche Vertrauensperson gewesen zu sein. Insbesondere gelte das für Herrn Graevenitz, der sich in den vergangenen zwei Jahren jederzeit als hilfsbereiter Ansprechpartner und kompetenter Berater für die Schülerinnen und Schüler sowie in allen Belangen seines Verantwortungsbereichs der Oberstufe in vorbildlicher Weise verdient gemacht habe.
„Ehrungen und Würdigung der besonderen Leistungen“
Für die jeweils besten Abitur-Leistungen am AGG Harsefeld im Jahre 2013 hatte die Bürgerstiftung der KSK Stade, vertreten durch Herrn Wilhelm Hilz, zwei Geldpreise ausgelobt, die aus seinen Händen die Jahrgangsbesten Christoph Bauschmann und Michel Struwe nach Verklingen der letzten Takte von Beethovens Klaviersonate Nr.14 op.27.2, 1. Satz entgegennehmen durften. Als bester Mathematiker wurde Christoph darüber hinaus von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung ebenso für seine besonderen Leistungen ausgezeichnet wie wiederum Michel vom Altphilologenverband sowie Nils Max und Johannes Müller von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Für die Würdigung ihres besonderen, „gefühlten achtjährigen“ Engagements für die Schulgemeinschaft bat dann OStD Book die Jahrgangssprecherin Theresa Reichert zu sich auf die Bühne. Dazu gesellen durften sich für ihre verdienstvolle maßgebliche Mitarbeit am Energiesparprojekt „Fifty-fifty“ Michel Struwe, Kim-Fabian Wachlin und Johannes Müller sowie aufgrund der außergewöhnlichen Leistungen in seinen mündlichen Prüfungen André Löhden: Allen überreichte unser Schulleiter kleine Buchpräsente, die ihnen vom Förderverein des AGG Harsefeld, der auch die diesjährige Abitur-Entlassungsfeier dankenswerterweise finanziell generös unterstützt hat, zugedacht worden waren.
„Zusammen mit Freunden in einer Achterbahn der Gefühle“
Wie zuvor schon ihr Schulleiter ließen auch Joelle Stüben und Steffen Reder stellvertretend für ihren Jahrgang insbesondere die letzten zwei Jahre ihrer Oberstufenzeit Revue passieren. Nachdem sie sich zunächst erst einmal selbst zu ihrem Erfolg durch „harte Arbeit“ beglückwünscht hatten, gingen sie dann — analytisch und methodisch am AGG Harsefeld bestens geschult — den Dingen differenzierter auf den Grund und bescheinigten ihrem Jahrgang „unfassbare Faulheit, ausgeprägte Improvisationskunst, spontane Kreativität, vereinzelt auftretenden Fleiß oder einfach nur pures Können“, wofür sie diverse Beispiele aus den letzten beiden Schuljahren zur Veranschaulichung anführten.
Auf ihren gemeinsamen Weg mit Freunden, auf dem sie sich unterwegs immer wieder gefragt hätten, wie sich das Ende wohl anfühle, würden sie am heutigen Tage mit Stolz und Erleichterung zurückblicken, denn schließlich sei aus dem fernen „Irgendwann“ ein „Jetzt“ geworden, das durch ein Gefühl der neu gewonnenen Freiheit bestimmt werde. Unterwegs hätten sie zwar durchaus eine „Achterbahnfahrt der Gefühle“ durchlebt, seien aber zusammen mit ihren „Mitfahrern“ gerade dadurch auch gewachsen und gereift.
Ein Dank gelte zudem ihren Eltern, ihren Lehrerinnen und Lehrern sowie all denjenigen Menschen, die ihnen während ihrer Schulzeit besonders „unter die Arme gegriffen haben“, was sie im letzten Fall auch mit kleinen Präsenten — nicht für diejenigen, die sich angesprochen fühlten, sondern für diejenigen, die gemeint waren — nicht nur verbal zum Ausdruck brachten. Ihren Jahrgang selbst forderten sie auf, dass jede und jeder Einzelne mit Mut und Verstand ihre bzw. seine persönlichen Träume und Vorstellungen umsetzen und dabei jeglichen Egoismus ausschließen möge. Angst vor Erfolglosigkeit brauche man ohnehin nicht mehr zu haben, „denn schließlich haben wir Abitur“, wie Steffen abschließend betonte.
„So ist´s nun mal hinieden: Die Geistesgaben sind verschieden“
Als Vertreterin der Eltern merkte Frau Krapoth-Struwe in ihrer Ansprache an unsere Abiturientinnen und Abiturienten eingangs kritisch an, dass die Schule bei der Erfüllung ihres Bildungsauftrages oder — um mit den Worten des Wortakrobaten Heinz Erhardt auszudrücken — bei der Aufgabe, „den Guten und den Bösewichtern den Lehrstoff quasi einzutrichtern“, ihrer persönlichen Erfahrung nach nicht immer angemessen genug auf die „verschiedenen Geistesgaben“ eingehe. Und auch das „Fressen englischer Vokabeln“ — wie es Erhardt in seinem Gedicht „Schule“ ebenfalls humorvoll sinnfällig macht — sei allein wohl kein Garant für den beruflichen Erfolg.
In ihrem Rückblick auf die vergangenen acht Jahre erinnerte Frau Krapoth-Struwe daran, dass sich viele eingeführte Veränderungen und Versprechungen der vier von den Eltern und ihren Kindern miterlebten Kultusminister/innen — beispielsweise die nicht nur von ihren Söhnen in früheren Jahren zu sammelnden AG-Punkte — wegen „erwiesener Unsinnigkeit“ zwar recht schnell wieder erledigt hätten, der Motivation und dem Spaß am Lernen seien sie aber dennoch abträglich gewesen. Nicht zuletzt habe einer ihrer Söhne ihr die Bedeutung motivierten Arbeitens für die Schule ganz am Schluss seiner acht Schuljahre augenfällig gemacht, als er „mit nie zuvor gesehenem Feuereifer … für die Mottowoche Kostüme genäht habe“, fügte sie schmunzelnd hinzu. Ihrer Ansicht nach seien im Leben somit gerade diejenigen erfolgreich und besonders motiviert, die ihren Träumen folgen würden, für die sie selbst den Grundstein gelegt hätten.
Am Ende ihrer Ausführungen bedankte sie sich noch im Namen aller Eltern insbesondere bei Frau Appelkamp und Herrn Book, die beide das Harsefelder Gymnasium maßgeblich geprägt hätten, und wünschte allen Abiturientinnen und Abiturienten einen erfolgreichen Werdegang und weiterhin viel Glück.
„Für alle birgt das ‘Überraschungsei seines Lebens´ etwas Besonderes“
Zusammen mit seinem Religionskurs der Jahrgangsstufe 11 war Pastor Schuster auf den Gedanken gekommen, sich die Schule (Eikapsel) und das dort zu erwerbende Reifezeugnis (Bastelgegenstand) als ein Überraschungsei vorzustellen: Zerbricht man die süße, großartige Hülle, habe man die einzelnen Teile ihres Inhalt gemäß der beiliegenden Bastelanleitung in richtiger Weise zusammenzubauen. Entsteht daraus etwas Sinnvolles, werde einem das dann mit guten Noten bescheinigt. Aber für das Leben, so Pastor Schuster, gebe es keine derartige Bastelanleitung, dort werde nicht alles funktionieren, man könne sich auch „verbasteln“.
Dennoch sollten die Abiturientinnen und Abiturienten nach seinen Worten nicht davor zurückscheuen, sich etwas zuzutrauen, und nicht aufgeben, auch wenn einmal etwas daneben gehe oder „verbastelt“ werde. Mag denn auch das Überraschungsei einer/eines anderen mehr Glück in sich bergen, man selber solle doch vielmehr auf die besondere Überraschung im „Überraschungsei seines Lebens“ schauen, denn Gott habe auch dieses Leben gesegnet. Daran könnten sie auch der von ihm anschließend erteilte Segensspruch später und das von ihm nun an alle Abiturientinnen und Abiturienten überreichte „Ü‑Ei“ schon jetzt erinnern.
„Musikalischer Ausklang“
Für den Schlussakkord der festlichen Veranstaltung, dem noch die Verabschiedung der Gäste folgte sowie der Dank von OStD Book an das Organisationsteam (Frau Frank, Frau Dr. Fischbeck-Eysholdt, Frau Greier, Frau Wessels, Frau Handy, Frau Wienke sowie Frau Korte), an die Musiker und Techniker (neben den bereits genannten Musikern noch Herr Kriett) sowie an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 11 und 5 (Catering und Überreichung der Blumen), die alle dazu beigetragen hätten, der feierlichen Entlassung der Abiturienten 2013 einen stilvollen und würdigen Rahmen zu verleihen, sorgten — wie schon im Vorjahr, aber nun ein letztes Mal – die Abiturienten Marina Finke am Violoncello und Daniel Struwe am Saxophon, die von StR Höver am Klavier begleitet „Time to say goodbye“ intonierten.
Fotos: Diedrich Hinrichs