Vom Pflegen und Knüppeln des Waldes
Chireddi Hischrin
In der Regel werden marodierende und mit Knüppeln bewaffnete Schlägertrupps von der Polizei aufgelöst und strafrechtlich verfolgt – nicht so jedoch, wenn sie von zertifizierten Waldpädagogen mit einer ganz besonderen Aufgabe betraut und eigens dafür zusammengestellt werden. Und genau das ereignete sich am heutigen Vormittag (16.06.2022), als nahezu einhundertzwanzig Schüler:innen der Jahrgangsstufe 9 — klassenweise in Arbeitstrupps zusammengestellt — einen dreistündigen Waldpflegeeinsatz im Waldgebiet Meinkenhoop absolvierten, bei dem es galt, eine junge Eichenpflanzung rabiat von unerwünschter Begleitvegetation zu befreien.
Um ihre auf sie zukommende Aufgabe zu beschreiben, bedurfte es auf dem Parkplatz am Waldstadion, auf dem sich die Klassen 9 F1, 9 F2, 9 FSL1 und 9 FSL2 an diesem Schultag mit ihren sie begleitenden Lehrkräften zu Beginn ihres Walderlebnistages versammelt hatten, keiner allzu langen Vorrede: Florian Offermanns (Forstamt Harsefeld) erläuterte daher den zumeist für ihren Einsatz auch angemessen Gewappneten (Arbeitshandschuhe, zweckmäßige Kleidung) nur kurz, weshalb ein ungehemmtes Einknüppeln auf die Flora, ihr Niedertreten, Umknicken oder Ausreißen in einer Pflanzung mit jungen Stiel-Eichen — dem Baum des Jahres 1989 — im Hinblick auf die Pflege des Waldes durchaus ein sinnhaftes und lohnenswertes Tun darstellt: Aufgrund ihres hohen Lichtbedarfs müssten ein Ausdunkeln der jungen Eichen verhindert und diese „freigestellt“ werden, deshalb sollten die Schüler:innen in den ihnen anschließend zugewiesenen Arealen einer durch unerwünschte Begleitvegetation Vorschub geleisteten Etablierungsblockade entgegenwirken, indem sie „auf alles kloppen dürfen, was keine Eiche ist“.
Zur Umsetzung dieses mutmaßlich im Wortlaut recht einfach verständlichen, aber von der einen oder anderen bzw. dem einen oder anderen womöglich im Hinblick auf den Anstrengungsgrad bei der mechanischen Ausführung — vor allem dann, wenn diese sich über eine geraume Zeit zu erstrecken hat — unterschätzten Arbeitsauftrages rüstete man sich sodann tatenfroh mit geeignetem Schlagwerkzeug aus, das der Meinkenhooper Wald in Form von Totholz in hinlänglicher Anzahl und mannigfaltiger Art bereitwillig zur Verfügung stellte.
Alsdann eröffnete sich für jedwede individuelle rohe Kraftentfaltung gleichwohl wie für kleine präzise, fast schon chirurgische Eingriffe in die Natur ein wahrhaft weites Betätigungsfeld: Auf nahezu 10.000 m² (ein Hektar) nahmen die Neuntklässler, aufgeteilt auf einzelne Schneisen, die an sie unmissverständlich herangetragene Herausforderung an, um die dort auf einer ehemaligen Wiese vor Jahren angepflanzten Eichen vor weiterem Lichtentzug und Deformation (durch Überlagerung) zu bewahren.
Die Gegner bei ihrem kühnen Unterfangen waren schnell ausgemacht: Distel, Brombeersträucher, Brennnessel, Holunder, Moorbirke, Ahorn und nicht zuletzt der rhizomartige Wurzelstöcke ausbildende ominöse Adlerfarn, der — so wird kolportiert — sich auch im Magen der Gletschermumie Ötzi befunden haben soll. All diesen Pflanzen wurde rabiat mit mehr oder minder wuchtigen Knüppelhieben von der im besagten Waldgebiet ausgeschwärmten gedungenen Hundertschaft engagiert zu Leibe gerückt, um für einen optimalen Wachstumserfolg der Stiel-Eichen Sorge zu tragen.
Als am Ende des auf der Lichtung teilweise unbeschattet und in diesem Falle dann durchaus schweißtreibend durchgeführten, aber auch durch angemessene Pausen unterbrochenen Arbeitseinsatzes Herr Offermanns sah, dass es gut war, fand er überaus lobende Worte für das emsig vollbrachte Tagwerk unserer Schüler:innen, denn nunmehr haben die Jungbäume freie Entfaltungsmöglichkeiten und die Chance, sich gegenüber der licht- und wärmeliebenden, zu Beginn des Wachstums überlegenen Konkurrenzvegetation durchzusetzen.
Inwieweit ihr heutiger Einsatz noch ersprießlicher sein wird als ohnehin schon, können alle an diesem Arbeitseinsatz Beteiligten dann in ca. 30 Jahren sehen, wenn die jungen Stiel-Eichen die Höhe und Stärke der umliegenden Bäume in den angrenzenden Arealen erreicht haben werden. Ein Rencontre unserer Schüler:innen zu ihrem 25-jährigen Abitur-Jubiläum im Jahre 2056 an diesem Ort scheint sich also nahezu unweigerlich aufzudrängen.
Fotos: Jette Landsberg, Klasse 9 FSL1 (5) und Jörn Freyenhagen (2)