Flüchtlinge aus dem Sudan erzählen ihre Geschichte
Simone Michaelsen
Es ist schon ein Unterschied, ob man sich theoretisch mit Fluchtursachen, Fluchtwegen und der Frage nach dem Recht auf Asyl befasst oder ob man jemandem gegenübersitzt, der von all dem aus eigener Erfahrung berichten kann. Wie sehr sich das, was zwei junge Sudanesen erlebt haben, vom Alltag unserer Schülerinnen und Schüler unterscheidet, konnte die Religionsgruppe der 8 F1 / 8 L von StR´ Simone Michaelsen kürzlich (24.04.2015) erfahren, als beide in den Unterricht eingeladenen Gäste anfingen, von sich zu erzählen.
Khaled und Hamza (Namen geändert) spielen gern Fußball, treffen sich ab und zu mit Freunden. Sie sind 21 und 23 Jahre alt, nur wenig älter als die Schülerinnen und Schüler der Religionsgruppe 8 F1 / 8 L, die sich in den Wochen vor dem Besuch der beiden Männer im Rahmen der Unterrichtseinheit „Miteinander leben in Frieden und Gerechtigkeit“ mit dem Thema „Flüchtlinge“ auseinandergesetzt hatten.
Bei ihrem Besuch am AGG Harsefeld schilderten Khaled und Hamza zunächst kurz die Situation in ihrem Heimatland Sudan, wo seit 2003 Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen und der Regierung und bürgerkriegsähnliche Zustände dazu geführt haben, dass Millionen von Sudanesen aus der Krisenregion Darfur vertrieben wurden oder fliehen mussten.
Khaled kam mit seiner Familie nach der Flucht zunächst in einem Flüchtlingscamp im Tschad unter. Das Leben dort sei für ihn fast unerträglich gewesen: Es gab wenig zu essen und kaum Möglichkeiten, sich irgendwie zu beschäftigen — ein Leben im Wartezustand. Er flüchtete allein weiter nach Libyen, konnte dort zunächst in seinem Beruf als Automechaniker arbeiten und seiner Familie sogar etwas Geld schicken. Doch dann zwang ihn der dort einsetzende Bürgerkrieg wiederum zur Flucht. Das Ziel: über das Mittelmeer ins sichere Europa zu gelangen. Ähnlich erging es Hamza, der nach seiner Flucht aus dem Sudan über ein Jahr lang unterwegs war und sich mit Gelegenheitsjobs hier und da sein Überleben sicherte, bevor auch er ein Boot bestieg in der Hoffnung, das Ufer auf der anderen Seite zu erreichen.
Sie haben viel riskiert und viel zurückgelassen. Ob sie noch Kontakt zu ihren Familien hätten, will eine Schülerin wissen. Hamza schüttelt den Kopf. Es sei schwierig, sagen sie. Alle zwei oder drei Monate ein kurzes Telefonat, wenn überhaupt.
Seit September 2014 leben die beiden in Harsefeld. Sie fühlen sich wohl, viele Menschen hier wären freundlich und hilfsbereit. Unterstützung erhalten sie u.a. vom Arbeitskreis Asyl Harsefeld und von vielen Ehrenamtlichen, die sie zu Behördengängen begleiten, in Deutsch unterrichten oder Fahrräder, Kleidung und Möbel spenden, wie Schwester Annette Fleischhauer, die Vorsitzende des Arbeitskreis Asyl, berichtete. Sie wies außerdem auf eine tolle Möglichkeit hin, wie Einheimische und Neu-Einheimische miteinander in Kontakt kommen könnten: der „Internationale Tee-Treff“, der jeden ersten Sonnabend im Monat stattfindet (11 — 13 Uhr, Katholisches Gemeindehaus, Böberstroot 11, Harsefeld). Nur wer auf den anderen zugehe und ihn kennenlerne, könne auch Vorurteile abbauen.
Auf die Frage, wie ihr Alltag hier aussehe, antworten Hamza und Khaled mit: Lernen, lernen, lernen! Viermal pro Woche gehen sie zum Deutschunterricht. Außerdem: Warten. Warten darauf, dass die Ausländerbehörde über ihren Asylantrag entscheidet. Und nicht zuletzt: Hoffen, dass die Antwort der Behörde positiv ausfällt und sie in Deutschland bleiben können. Dann würden sie gern hier eine Ausbildung machen, um in ein paar Jahren hoffentlich mit all ihrem erworbenen Wissen in den Sudan zurückkehren zu können. Es gebe dort viele Menschen, die Hilfe brauchen, sagen sie.