Aue-Geest-Gymnasium Harsefeld
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Mit­rei­ßen­des “Mahl­gut” aus Mut, Macht und Magie

 Died­rich Hinrichs

Wahr­haft magi­sche Momen­te ver­moch­te die Insze­nie­rung von Otfried Preuß­lers mehr­fach preis­ge­krön­ten Jugend­ro­man „Kra­bat“ für die Schü­le­rin­nen und Schü­ler unse­rer 6. Jahr­gangs­stu­fe bei ihrem Besuch des Ham­bur­ger Schau­spiel­hau­ses (19.01./26.01.2012) zu beschwö­ren: Die packen­de Geschich­te um das dunk­le Geheim­nis einer schwar­zen Müh­le und ihres Müh­len­meis­ters, über Ver­su­chung, Freund­schaft und die Macht der Lie­be fes­sel­te jeweils vor­mit­tags das jugend­li­che Publi­kum und mach­te die Auf­füh­rung auch wegen des vom „Müh­len­per­so­nal“ mit­rei­ßend und so erle­sen prä­sen­tier­ten „Mahl­guts“ zu einem rund­weg begeis­tern­den Thea­ter­er­leb­nis für alle Besucher.

Unse­re in Beglei­tung ihrer Deutsch­lehr­kräf­te mit dem Zug nach Ham­burg ange­reis­ten Sechst­kläss­ler — die Klas­sen 6 F1, 6 S, 6 L und 6 F2 — sahen sich gleich mit dem ers­ten Auf­zug des Büh­nen­vor­hangs unver­se­hens in das umtrie­bi­ge Gesche­hen hin­ein­ge­wor­fen: „Nun mahlt sie wie­der!“. Dumpf grol­lend und wuch­tig die Büh­ne aus­fül­lend wird der zen­tra­le Schau­platz des Gesche­hens sinn­lich wahr­nehm­bar: die schwar­ze Müh­le am Kosel­bruch. Dort tritt die Haupt­fi­gur, der 14-jäh­ri­ge Wai­sen­jun­ge Kra­bat, als Lehr­jun­ge ein, um sich zusam­men mit elf wei­te­ren Gesel­len beim erbar­mungs­lo­sen Meis­ter im Müh­len­hand­werk und — von ihm dazu ver­führt — in „der Kunst aller Küns­te“ (Magie) unter­wei­sen zu lassen.

Sein Auf­ent­halt in der Müh­le, die ob des Wal­tens böser Mäch­te ein dunk­les Geheim­nis birgt, gerät im wei­te­ren Ver­lauf zwi­schen ihm und dem Mül­ler, sei­nem bru­ta­len Gegen­spie­ler, zu einem mit­rei­ßen­den „Macht­spiel im Mehl­staub“. So erweist sich ein­mal im Monat bei Voll­mond und Ankunft des mit dem Meis­ter pak­tie­ren­den Gevat­ters die Arbeit der Mül­lersknap­pen näch­tens nicht nur wort­wört­lich als „Kno­chen­müh­le“, son­dern einer aus ihren Rei­hen ver­liert auch jedes Jahr in der Sil­ves­ter­nacht durch die Hand des Mül­lers sein Leben, damit Letz­te­rer dem Teu­fel ver­ein­ba­rungs­ge­mäß eine See­le über­ge­ben kann, anstatt sel­ber ster­ben zu müssen. 

Eine Been­di­gung des grau­sa­men und auto­ri­tä­ren Regi­ments des dunk­len Müh­len­meis­ters sowie der Ver­such, die per­sön­li­che Frei­heit und Selbst­be­stim­mung wie­der­zu­er­lan­gen, kön­nen nur Erfolg haben, wenn es Kra­bat gelingt, sei­nen alle Küns­te schwar­zer Magie auf­bie­ten­den und sämt­li­che Regis­ter der Ver­su­chung zie­hen­den Gegen­spie­ler in die­sem Macht­kampf zu besie­gen. Als der stand­haf­te jun­ge Mül­ler­ge­sel­le schließ­lich ein Mäd­chen fin­det, das ihn liebt, zudem auch mutig genug und bereit ist, ihn unter Ein­satz des eige­nen Lebens beim Meis­ter „frei­zu­bit­ten“, kommt es schließ­lich zum dra­ma­ti­schen Höhe­punkt des Kamp­fes zwi­schen der Macht des Bösen und der Liebe.

Über den Aus­gang die­ser Ent­schei­dungs­si­tua­ti­on und auch über die thea­ter­tech­nisch beein­dru­cken­de Auf­füh­rung am Ham­bur­ger Schau­spiel­haus wis­sen nun­mehr alle unse­re Sechst­kläss­ler wohl eben­so viel zu berich­ten wie über ihre ganz per­sön­li­chen Ein­drü­cke: Sei­en es nun die von Thea­ter­don­ner und künst­li­chem Rauch beglei­te­ten Ver­wand­lungs­sze­nen gewe­sen, die aus Mül­ler­ge­sel­len sekun­den­schnell schwar­ze Raben wer­den lie­ßen, oder die sich vom Büh­nen­him­mel her­ab­sen­ken­de über­di­men­sio­na­le knö­cher­ne Hand des Gevat­ters (im Roman fährt peit­schen­schnal­zend ein Kut­scher vor), das quir­li­ge Drun­ter und Drü­ber in der Müh­le, einem hand­werk­lich bestechen­den wie eben­so bedeu­tungs­auf­ge­la­de­nen „Räder­werk“, oder die magi­schen „spe­cial effects“ (Gold­re­gen, sich von selbst bewe­gen­de Besen und Mehl­sä­cke), mög­li­cher­wei­se aber auch die das jun­ge Publi­kum zum Mit­klat­schen ani­mie­ren­den schwung­vol­len Rap- und Tanz­ein­la­gen der aus­ge­las­sen fei­ern­den Gesel­len — der­lei Grün­de mögen es gewiss gewe­sen sein, dass am Ende alle Zuschau­er für die mit­rei­ßend insze­nier­te Auf­füh­rung nicht mit dem wohl­ver­dien­ten Applaus für die Akteu­re geizten. 

Über­dies lie­ße sich als Aus­druck sub­jek­tiv emp­fun­de­ner Zufrie­den­heit sei­tens der Schü­ler über die mit­er­leb­te „Kra­bat-Insze­nie­rung“ auch noch die ver­bürg­te Tat­sa­che anfüh­ren, dass Eltern der zu Hau­se aus­ge­spro­che­nen Kul­tur­emp­feh­lung ihrer offen­sicht­lich beein­druck­ten Toch­ter unver­züg­lich nach­ka­men, um sich eine der letz­ten Auf­füh­run­gen von Preuß­lers magi­schem Meis­ter­werk „Kra­bat“ in die­ser Spiel­zeit nicht ent­ge­hen zu las­sen. Viel mehr geht mit „Jugend­thea­ter“ eigent­lich nicht!

 

Fotos: Died­rich Hinrichs